Gemeinderatssitzung vom 13.05.2020 “ohne medialen Druck”
65 Tagesordnungspunkte hatte der Gemeindevorstand von Groß Gerungs für die Gemeinderatssitzung vom 13.05.2020 anberaumt. Bei pünktlichem Sitzungsbeginn um 20:00 und angestrebtem Ende um 24:00 bedeutet das knappe dreieinhalb Minuten für jeden Tagesordnungspunkt. Für Fragen und Diskussion, damit die Öffentlichkeit auch über Für und Wider informiert wäre, bevor man zur Abstimmung schreitet, oder für Dringlichkeitsanträge anderer Parteien war offenbar keine Zeit eingeplant.
Dass man die Öffentlichkeit über die Vorgänge bei der Sitzung scheinbar lieber im Dunkeln lassen möchte, zeigte sich schon beim ersten Tagesordnungspunkt, wo es explizit hieß, man wolle die Gemeinderatssitzung lieber “frei von medialem Druck” abhalten und deshalb Bild- und Schallaufzeichnungen verbieten.
“Es ist eine Sache, für bestimmte Tagesordnungspunkte solche Aufnahmen zu verbieten, das mag in Einzelfällen gerechtfertigt und damit im Sinne des Gesetzgebers sein. Es ist aber etwas anderes, eine Zensurabsicht derart explizit offenzulegen! Es scheint, der Bürgermeister hat bedingt durch Jahre der Alleinherrschaft jeden Bezug zu unserer Bundesverfassung verloren, die die Freiheit der Medien als eines unserer schützenswertesten Güter hochhält”, so Kienast.
“Dass der Bürgermeister bisweilen Nachhilfe betreffend Verfassung und Gemeindeordnung braucht, hat sich in dieser Sitzung auch andernorts mehrmals gezeigt. Ich richte ihm hiermit noch einmal aus: Über Auskunftsbegehren nach § 22 NÖ GO stimmt der Gemeinderat nicht ab. Sie sind ganz einfach zu beantworten.”
Die Öffentlichkeit über Vorhaben der Gemeinde lieber im Dunkeln zu lassen, scheint bei der ÖVP Programm zu sein. So haben Bürgermeister und Gemeindevorstand einen hoch-brisanten Sitzungspunkt wohl sicherheitshalber gleich in den nicht-öffentlichen Teil der Sitzung verwiesen.
Selbst nach der Einschätzung des eigenen Gemeindebunds ist dieses Vorgehen rechtswidrig, worüber Kienast die ÖVP in der Sitzung umfassend aufgeklärt hat.
Verweis auf: https://kommunal.at/datenschutz-bei-gemeinderatssitzungen
Die Öffentlichkeit von Gemeinderatssitzungen ist nämlich im Bundesverfassungsgesetz festgeschrieben, und ein Abweichen von diesem zwingenden Gebot ist nur in wenigen Ausnahmefällen möglich, nämlich wenn individuelle Verwaltungsakte betroffen sind - zB. wenn der Gemeinderat über die Berufung gegen einen Abgabenbescheid verhandeln müsste. Förderansuchen oder Liegenschaftskäufe sind aber keine Verwaltungsakte, die Daten und Verträge ohnehin öffentlich einsehbar und somit jedenfalls öffentlich zu verhandeln.
“Der Gemeindevorstand kann nicht nach Gutdünken Verfassungsrecht einfach übergehen, darum sind diese Rechte ja im Verfassungsrang. Hier bestehen offenbar eklatante Bildungslücken beim Bürgermeister und seinen ÖVP-Mandataren. Wir helfen aber gerne, diese Bildungslücke zu füllen”, so Kienast.
Über den Inhalt des brisanten Gemeinderatsbeschlusses konnte Kienast nichts berichten, ihm sind wegen des Grundsatzes der Amtsverschwiegenheit derzeit die Hände gebunden. “Unser Antrag, den Sitzungspunkt in den öffentlichen Teil der Sitzung zu verweisen, wurde von der ÖVP abgelehnt”. Man werde aber Beschwerde beim Aufsichtsorgan einlegen und könne dann diese Vorgänge hoffentlich zu einem späteren Zeitpunkt legal offenlegen, stellte Kienast in Aussicht.
Auch 15 eigene Dringlichkeitsanträge hatte die Bürgerliste GERMS eingebracht.
Der brisanteste war wohl der Antrag auf Austritt der Gemeinde aus dem Gemeindebund. “Allein 2019 kostete diese Mitgliedschaft EUR 27.166,25, und diese Organisation ist nach unserem Dafürhalten klar eine ÖVP-Parteiorganisation.” Die Bürgerliste GERMS werde Sachverhaltsdarstellungen an die Korruptionsstaatsanwaltschaft und den Rechnungshof einbringen. Diese solle sich ansehen, ob hier nicht die Straftatbestände des Amtsmissbrauchs, der Untreue und der versteckten Parteienfinanzierung erfüllt seien. Es gilt die Unschuldsvermutung.
“Der Gemeindebund begünstigt direkt und ganz unverblümt ÖVP-Mandatare und ÖVP-Bürgermeister, finanziert sogar direkt eine ÖVP-Bildungseinrichtung mit. Und die Gemeinde soll dafür die Zeche zahlen!”, so Kienast
Zum Vergleich: Die Mitgliedschaft im Städtebund fällt mit etwa EUR 700 um einiges günstiger aus. “Dort ist man auch nicht so ungeschickt, sich die Parteiigkeit auch noch direkt auf die Website zu schreiben!”, so Kienast.
Die Bürgerliste GERMS hatte deshalb den Austritt der Gemeinde Groß Gerungs aus dem Gemeindebund beantragt und gefordert, das gesparte Geld direkt in eine Mietbeihilfe für Hilfsbedürftige zu stecken. “Diesbezüglich herrschen in NÖ nämlich skandalöse Zustände. Wohnbeihilfe erhält in NÖ nur, wer zufällig in einem geförderten Wohnbau eingemietet ist.” Nicht einmal die Corona-Krise konnte die NÖ Landesregierung dazu bewegen, zumindest zeitweilig mit diesem Missstand aufzuräumen. In OÖ hat man wenigstens für die Krisenzeit den Zugang zu Wohnbeihilfe auch Mietern in privaten Objekten ermöglicht. Im sozialdemokratischen Wien ist das ohnehin seit jeher Usus.
Und ein weiterer Vorgang in der Gemeinde Groß Gerungs stieß der Bürgerliste GERMS übel auf. So wurden in der Gemeinderatssitzung vom 11.12.2019 drei Baugründe auf der Pletzen für nur EUR 12,- pro m² an die Kamptal Wohnbau GmbH verkauft. Nach Recherchen der Bürgerliste GERMS läge der Marktpreis auf der Pletzen aber wesentlich höher. EUR 25,- und höher werden von Käufern genannt.
Dadurch entstünde der Gemeinde ein Schaden von 20.000 bis 40.000 Euro. “Baugründe sind in Groß Gerungs ein knappes Gut. Man kann uns nicht erzählen, dass man für diese Gründe keinen höheren Preis erzielen hätte können.” Den Einwand des Vizebürgermeisters, die Gründe seien auch schon früher einmal für EUR 10,- pro m² abgegeben worden, weil man sie nicht loswurde, lässt Kienast nicht gelten: “Man kann eine vermeintlich rechtswidrige Handlung nicht damit rechtfertigen, dass man schon früher einmal dieselbe fragwürdige Handlung gesetzt hat.”
Der Antrag auf Aufhebung des Beschlusses und Erhöhung des Verkaufspreises wurde von der ÖVP abgelehnt (die Gründe sind grundbücherlich noch im Eigentum der Gemeinde). “Wir haben alle Gemeinderäte darüber aufgeklärt, dass sie mit ihrere Stimmabgabe auch persönlich für den entstandenen Schaden haften, sollte die Staatsanwaltschaft diese Vorgangsweise als illegal ansehen. Wir haben hiermit allen noch einmal die Chance eingeräumt, Schaden von der Gemeinde und Haftungsansprüche gegen sich selbst abzuwenden.” Die Schonfrist sei damit aber nun vorbei.
Weitere Anträge betrafen Gefahrenstellen bei der Neuen Mittelschule und der Volksschule Groß Gerungs, die gefährliche Bushaltestelle in der Greinerstraße, die gefährliche Bushaltestelle in Groß Meinharts, die akute Überschwemmungsgefahr Kreuzung Schulgasse/Greinerstraße, Gehsteige in der Johann-Ortlieb-Gasse, die Schaffung eines Ärztehauses, Schaffung eines Ausschusses zur Verhandlung des Finanzausgleichs und die Schaffung eines Entwicklungskonzept zum Raumordnungsprogramm in Groß Gerungs.
Wie zu erwarten, wurden alle diese Anträge von der ÖVP abgelehnt.
Mehr Infos